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Arbeitsrecht 2022 - Was war, was bleibt, was kommt

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31-12-2021

Ampelkoalition, Betriebsratswahlen und Pandemie sind nur einige Stichworte, die den Jahreswechsel aus arbeitsrechtlicher Sicht prägen. Auch das kommende Jahr 2022 hält einige Gesetzesänderungen für die Arbeitswelt bereit. Außerdem stehen wichtige Entschei-dungen des Bundesarbeitsgerichts an, die mit Spannung zu erwarten sind. Die wichtigsten Neuerungen, geplanten Änderungen und zu erwartenden Entscheidungen wollen wir Ihnen auch dieses Jahr in der nachstehenden Übersicht vorstellen.

1. Feststehende Änderungen für das Jahr 2022

Betriebliche Altersversorgung

Das Instrument der betrieblichen Alters-versorgung (bAV) ist eine Möglichkeit für Arbeitgeber und Arbeitnehmer:innen, letz-terem zusätzlich zur gesetzlichen Rente Kapital zur Verfügung zu stellen. Bisher erhielten Arbeitnehmer:innen auf das umgewandelte Arbeitsentgelt, das in eine Direktversicherung, Pensionskasse oder in einen Pensionsfonds fließt, einen Zuschuss in Höhe von 15 % von ihren Arbeitgeber, sofern der entsprechende Vertrag ab dem Jahr 2019 geschlossen wurde. Ab 2022 ist der gleiche Zuschuss nun auch für ältere Verträge zu zahlen, d.h. solche, die vor dem Jahr 2019 geschlossen wurden. Die Beitragsersparnis der Arbeitgeber im Hin-blick auf die Sozialabgaben und Steuern sollen demnach nunmehr – begrenzt auf die tatsächliche Ersparnis oder pauschaliert in Höhe von 15 % – an die Arbeitneh-mer:innen weitergegeben werden, unab-hängig vom Datum des Abschlusses des entsprechenden Vertrages.

Betriebsrätemodernisierungsgesetz

Mit dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz sind einige Änderungen bereits in Kraft getreten. Auch die Wahlordnung für die Wahl des Betriebsrates hat einige Änderun-gen erfahren. Die neue Wahlordnung ist seit 15. Oktober 2021 in Kraft. Nach dieser kann u.a. nun auch der Wahlvorstand digi-tale Sitzungen abhalten, soweit es sich nicht um öffentliche Sitzungen handelt. Die wichtigsten Änderungen, die durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz und die Änderung der Wahlordnung bereits Einfluss auf die anstehende Wahl haben, können Sie im Beitrag unserer Kollegen nachlesen.

Corona Sonderregelungen im Jahr 2022

Einige bereits im Jahr 2021 eingeführte Regelungen zur Abmilderung der Folgen der Corona Pandemie werden bis in das Jahr 2022 verlängert. Die sog. „Corona-Prämie“ i.H.v. EUR 1.500, die steuerfrei in Form von Zuschüssen und Sachbezügen gewährt werden kann, kann von Arbeitgeber noch bis März 2022 ausgezahlt werden. Voraussetzung bleibt weiterhin, dass die sog. Corona-Prämie zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Gehalt geleistet wird. Aber Vorsicht: die Verlängerung bis Ende März 2022 bedeutet lediglich, dass der Zeitraum für die Gewährung ausgedehnt wird; es führt nicht dazu, dass die Prämie in einem Arbeitsverhältnis mehrmals in Höhe von EUR 1.500 steuerfrei ausbezahlt werden kann.

Außerdem haben Arbeitgeber bis Ende März 2022 weiterhin einen vereinfachten Zugang zum Kurzarbeitergeld. So sollen trotz unge¬wisser Auftragslage betriebsbedingte Kün¬digungen vermieden werden. Es bleibt bis März daher u.a. bei der Absenkung des Quorums der vom Arbeitsausfall betroffe¬nen Belegschaft auf bis zu 10 %, auf den Aufbau von negativen Arbeitszeitsalden wird teilweise oder vollständig verzichtet und vollständige/hälftige Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge durch die Bundesagentur für Arbeit.

Elektronische Krankmeldung

Der Digitalisierungsprozess macht auch vor dem Gesundheitswesen keinen Halt. Schon seit dem 1. Oktober 2021 sind Ärzte ver-pflichtet, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigun-gen in digitaler Form an die jeweiligen Krankenkassen zu senden. Ab dem 1. Juli 2022 sind Arbeitgeber berechtigt, bei Kenntnis von der Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers, Daten (d.h. Beginn und Dauer der AU sowie ggf. das Ende der Entgeltfortzahlung) bei der Krankenkasse abzurufen. Dies erfolgt mittels Entgeltab-rechnungsprogrammen. Bei Minijobs kön-nen die Daten über die Minijob-Zentrale abgerufen werden; Voraussetzung ist hier jedoch, dass der Arbeitgeber vorab bei den Meldungen an die Minijob-Zentrale die jeweilige Krankenkasse angibt.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass Beschäftigte weiterhin der Meldepflicht unterliegen, wenn sie arbeitsunfähig sind, d.h. die Tatsache, dass ein Arbeitneh-mer:innen erkrankt ist, muss weiterhin erst einmal mitgeteilt werden. Arbeitneh-mer:innen erhalten auch weiterhin den sog. „gelben Schein“, diesen müssen sie jedoch nicht mehr vorlegen; er dient jedoch – z.B. bei technischen Störungen – Beweis¬zwecken.

Für privat versicherte Arbeitnehmende bleibt es jedoch noch „alles beim Alten“.

Mindestlohn und Ausbildungsver-gütung

Der gesetzliche Mindestlohn wird auch im Jahr 2022 erneut angehoben. Ab dem 1. Januar 2022 steigt der gesetzliche Mindestlohn zunächst auf EUR 9,82 brutto pro Stunde. Ab dem 1. Juli 2022 wird er mit der vierten und letzten Stufe der Mindestlohnanpassungsverordnung auf EUR 10,42 brutto pro Stunde angehoben.

Auch Berufsauszubildende profitieren im Jahr 2022. Die im Berufsbildungsgesetz festgelegte Mindestvergütung steigt von EUR 550 im Jahr 2022 auf EUR 585. Im Laufe der Ausbildung muss dieser Grund-betrag mindestens einmal pro Jahr steigen – und zwar im zweiten Ausbildungsjahr um 18 %, im dritten um 35 % und im vierten Ausbildungsjahr um 40 %.

Impfpflicht in der Pflege

Beschäftigte in Kliniken, Pflegeheimen, Arzt- und Zahnarztpraxen, Reha-Kliniken, Geburtshäusern oder auch in Rettungs-diensten müssen bis zum 15. März 2022 gegenüber ihrem Arbeitgeber den Nachweis führen, dass sie geimpft oder genesen sind. Alternativ ist ein Attest darüber vorzulegen, dass sie aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können. Ab dem 16. März 2022 ist ohne Vorlage eines ent¬sprechenden Nachweises keine Aufnahme der Tätigkeit in den betroffenen Einrichtun¬gen mehr möglich. Arbeitgeber sind dazu verpflichtet, das Gesundheitsamt zu infor¬mieren, wenn der Nachweis nicht geführt wird. Diese können ein Betreuungsverbot aussprechen, wodurch die Pflicht zur Lohn¬fortzahlung des Arbeitgebers entfällt.

Grenzen für Sachzuwendungen

Ab 2022 wird die Freigrenze für Sachzu-wendungen von EUR 44 auf nunmehr EUR 50 erhöht. So haben Arbeitgeber einen größeren Spielraum, ihren Arbeitneh-mer:innenn steuerfrei Sachzuwendungen zukommen zu lassen.

Insbesondere dann, wenn Arbeitgeber ihren Arbeitnehmer:innenn Gutscheine oder Geldkarten zukommen lassen wollen, ist § 2 Abs. 1 Nr. 10 Zahlungsdiensteaufsichts¬gesetz (ZAG) zu beachten. Das Zahlungs-diensteaufsichtsgesetz tritt ab dem 1. Januar 2022 in Kraft. Arbeitgeber, die sich nicht an die in diesem Gesetz vorgege¬benen Regelungen halten, müssen künftig für Sachzuwendungen Steuern zahlen. Kriterien nach dem ZAG sind z.B., dass die Akzeptanzstellen oder die Waren- bzw. Dienstleistungsangebote für Gutscheine begrenzt sind.

Teilhabestärkungsgesetz

Trotz der Ausgleichsabgabe, die Unterneh-men mit mehr als 20 Beschäftigten zahlen müssen, sollten sie zu wenig Stellen mit Schwerbehinderten besetzen, werden nach wie vor wenig Menschen mit Behinderun-gen eingestellt. Um hier Verbesserungen zu erzielen, wird es ab Januar 2022 neue bzw. einheitliche Ansprechpartner für Arbeit-geber geben. Diese einheitlichen Stellen sollen Arbeitgeber bei der Ausbildung, Ein-stellung und Beschäftigung von schwerbe-hinderten Menschen gezielt informieren, beraten und unterstützen. Die Integrations¬ämter beauftragen insoweit die Integrati¬onsfachdienste oder andere geeignete Träger, als einheitliche Ansprechstellen für Arbeitgeber tätig zu werden (§ 185a SGB IX). Ob dies geeignet ist, mehr Menschen mit einer Schwerbehinderung in Beschäfti¬gung zu bringen, bleibt abzuwarten.

Hinweisgeberschutzgesetz (Umset-zung der Whistleblower-Richtlinie)

Deutschland hatte bis zum 17. Dezem-ber 2021 die Gelegenheit, eine EU-Richtlinie, die einheitliche Standards für den Schutz von Whistleblowern vorschreibt, umzusetzen. Da sich die vormaligen Koaliti-onspartner nicht auf ein Gesetz einigen konnten, ist die Umsetzungsfrist fruchtlos verstrichen. Zwar ist dem Koalitionsvertrag zu entnehmen, dass ein eigenes, nationales Whistleblower-Gesetz geschaffen werden soll, welches die Hinweisgeber vor Repres¬salien schützen soll, dies wird aber noch einige Zeit dauern.

Für Arbeitgeber besteht daher momentan eine unklare Rechtslage. Während die unmittelbare Anwendbarkeit einer EU-Richtlinie zwischen Bürger und Staat mög-lich sein kann, ist diese Frage im Verhältnis zweier Privater, d.h. z.B. auch Arbeitgeber und Arbeitnehmer:innen nicht unproblema-tisch. Eine Verpflichtung von Unternehmen zur Einrichtung eines internen Meldesys-tems auf Basis von Art. 8 Abs. 1, 3, Art. 26 der Whistleblower-Richtlinie kann nicht ausgeschlossen werden. Insoweit sollten Arbeitgeber – auch ohne nationales Gesetz – ein Meldesystem etablieren, das den Anforderungen der EU-Richtlinie gerecht wird. Nicht zu vergessen ist bei der Einfüh-rung eines solchen Meldesystems das Mit-bestimmungsrecht des Betriebsrates!

2. Geplante Änderungen der Koalitions-partner

Mindestlohn

Die „Ampelkoalition“ hat in der Präambel ihres Koalitionsvertrags eine Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns im Wege einer einmaligen Anpassung auf EUR 12 brutto pro Stunde festgeschrieben. Wann es zu dieser Erhöhung kommen soll (es bedarf einer Anpassung von § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG) ist noch nicht bekannt; der Koaliti-onsvertrag enthält hierzu keine konkrete Aussage.

Stärkung von Mitbestimmungsrechten

Der Koalitionsvertrag enthält auch span-nende Fragen zur Mitbestimmung im Unter¬nehmen.

Betriebsräte sollen künftig frei entscheiden können, ob sie digital oder analog arbeiten. Außerdem sollen digitale, d.h. online durch¬geführte, Betriebsratswahlen ermöglicht werden. Gewerkschaften soll ein entspre¬chendes „digitales Zutrittsrecht“ in Betriebe eingeräumt werden. Nach dem Willen der Koalitionspartner soll die Behinderung von Betriebsratsarbeit künftig als Offizialdelikt eingestuft werden. Die Staatsanwaltschaft kann dann von Amts wegen tätig werden, sollte ein Anfangsverdacht bestehen.

Keine „Flucht“ mehr in die SE?

Im Wesentlichen bestehen in Deutschland drei Regime der unternehmerischen Mitbe-stimmung. Zum einen die paritätische Mitbestimmung nach dem Mitbestimmungs¬gesetz ab 2.000 Mitarbeitern in Deutsch¬land mit fest vorgegebener Mitgliederzahl für die Arbeitnehmervertreter im Aufsichts¬rat sowie die drittelparitätische Mitbestim¬mung ab 500 Mitarbeitern hierzulande. Beide Regime gelten für Aktiengesellschaft und GmbH. Bei der dritten Variante, der Europäischen Aktiengesellschaft (SE), kann die Mitbestimmung verhandelt werden oder sich nach einer gesetzlichen Auffanglösung bestimmen, die sich nach dem Mitbestim-mungsniveau in den Ausgangsgesellschaf-ten richtet.

Dem Koalitionsvertrag ist zu entnehmen, dass die Unternehmensmitbestimmung zumindest in zwei wesentlichen Punkten verschärft werden soll:

1) Derzeit erfolgt im Konzern eine Zurechnung im Hinblick auf die aus-schlaggebende Zahl von 500 Arbeit-nehmer:innen für die Drittelparität nur dann, wenn zwischen Tochtergesell-schaften und Konzernmutter ein Be-herrschungsvertrag besteht. Dagegen werden deutsche Arbeitnehmer:innen einer Tochtergesellschaft, die allein mit einem Gewinnabführungsvertrag mit der Konzernmutter verbunden ist oder mit der gar kein Unternehmensvertrag besteht, für den Schwellenwert nicht mitgezählt. Dies soll sich nach dem Koalitionsvertrag nunmehr ändern. Es soll allein eine faktische Beherrschung ausreichen. Damit würde der Anwen¬dungsbereich der drittelparitätischen Mitbestimmung deutlich ausgeweitet; denn wenn künftig auch nach dem DrittelbG die „faktische Beherr¬schung“ der Tochtergesellschaft für die Zurechnung der Arbeitnehmer:innen ausreichen soll, werden zahlreiche Unternehmensgruppen mit mehr als 500 und weniger als 2.000 relevanten Arbeitnehmer:innen erstmals einen mitbestimmten Aufsichtsrat bilden müssen.

2) Zudem möchte die neue Koalition darauf hinwirken, dass der sog. „Ein-friereffekt“ nicht mehr gelten soll. Bislang wird bei der Frage des Mittbe-stimmungsregimes auf den Zeitpunkt der SE-Gründung abstellt: Sind zum Zeitpunkt der Umwandlung in eine SE die Schwellenwerte zur Mitbestimmung nicht erreicht, ändert sich auch bei einem Anwachsen der Personalstärke und Überschreitung der Schwellen-werte nichts. Dies soll offenbar nun-mehr geändert werden: Unternehmen sollen ihren mitbestimmungsfreien oder weniger mitbestimmten (z.B. Drittelbeteiligungsgesetz) Status in Zukunft dann nicht mehr behalten können, wenn sie nach der Umwand-lung in eine SE weiterwachsen und z.B. den Schwellenwert für einen pari-tätisch zu besetzenden Aufsichtsrat überschreiten. Nach geltendem Recht verändert sich die Mitbestimmung in der SE bei einem Anwachsen der Personalstärke nicht mehr.

Bei der SE dürfte allerdings eine Abschaf-fung des Einfriereffektes wegen der euro-parechtlichen Aspekte nicht kurzfristig zu erwarten sein. Ähnlich schwierig ist wegen der Auslandsbezüge die Erstreckung der Mitbestimmung auf ausländische Rechts-formen. Anders ist es hingegen bei der Änderung der Zurechnung der Arbeitneh-mer:innen nach dem DrittelbG. Diese kann der deutsche Gesetzgeber umsetzen.

Tarifautonomie

Die Koalitionspartner wollen durch Anpas-sung der Regelungen zum Tarifrecht die Tarifautonomie, die Tarifpartner und die Tarifbindung stärken. Der Koalitionsver-trag enthält hierzu eine entsprechende Absichtserklärung. demzufolge soll hier-durch die Zahlung von fairen Löhnen in der Bundesrepublik und zugleich die Anpassung der Löhne zwischen Ost und West befördert werden. Künftig soll die Teilnahme von potentiellen Auftragneh-mern an der öffentlichen Auftragsvergabe des Bundes daran geknüpft werden, dass diese an einen repräsentativen Tarifver-trag der Einsatzbranche gebunden sind. Außerdem soll die Fortgeltung von Tarif-verträgen in Fällen von Betriebsausgliede-rungen bei Identität des Eigentümers fest-gelegt werden.

Nach den Koalitionspartnern soll § 613a BGB nicht geändert werden.

Mini- und Midijobs

Auch Arbeitgeber, die sog. „Minijob-ber“ beschäftigen, müssen im Jahr 2022 einige Änderungen berücksichtigen, die bereits feststehen und verbindlich ab 2022 gelten: So ist künftig neben der Steuer¬nummer des Unternehmens auch die Steueridentifikationsnummer der Minijob¬bern die Minijob-Zentrale zu übermitteln. Außerdem sind Informationen über die Sozialversicherung und den Krankenver¬sicherungsschutz der Minijobber anzuge¬ben. Ziel ist es, mehr Sicherheit und Transparenz im Minijob-Bereich zu erzie¬len. Arbeitgeber erhalten zudem eine Rückmeldung von der Minijob-Zentrale über Vorbeschäftigungszeiten.

Laut Koalitionsvertrag geplant ist zudem die Minijob-Grenze von bisher EUR 450 auf EUR 520 – bei einer Wochenarbeitszeit von zehn Stunden – zu erhöhen.

Auch für sog. Midijobs sieht der Koalitions-vertrag eine Anpassung der Entgeltgrenze vor. „Midijobber“ sind Arbeitnehmer:innen, die mehr als EUR 450 und weniger als EUR 1.300 verdienen. Die Entgeltgrenze von Midijobbern soll auf EUR 1.600 ange-hoben werden.

Homeoffice und mobiles Arbeiten

Die Arbeit aus dem „Homeoffice“ soll nach dem Willen der Koalitionspartner künftig als eine Form des mobilen Arbeitens aus dem Geltungsbereich der Arbeitsstätten-verordnung ausgenommen werden. Damit würde das Homeoffice keine Telearbeit mehr darstellen. Weitere Details sind unklar.

Beschäftigte sollen einen Erörterungs-anspruch gegenüber ihren Arbeitgeber erhalten. In diesem Erörterungsgespräch soll die Möglichkeit einer Tätigkeit aus dem Homeoffice oder in Form mobiler Arbeit besprochen werden. Arbeitgeber sollen dem Wunsch ihrer Arbeitnehmer:innen nur dann wiedersprechen können, wenn dem betriebliche Belange entgegenstehen.

Änderungen im Befristungsrecht

§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG, d.h. der Befristungsgrund der Haushaltsbefristung soll nach dem Willen der Koalitionspartner abgeschafft werden. Begründet wird dies mit der Vorbildfunktion des öffentlichen Dienstes. Außerdem sollen sachgrundlose Befristungen reduziert werden.

Darüber hinaus sollen Befristungen mit Sachgrund (§ 14 Abs. 1 TzBfG) beim sel-ben Arbeitgeber auf einen Zeitraum von sechs Jahre beschränkt werden. Hier sol-len Ausnahmen möglich sein, wobei diese noch nicht im Koalitionsvertrag umrissen sind.

Damit könnte das von der Rechtsprechung entwickelte „Ampel-Modell“ zur Vermei-dung sog. Kettenbefristungen mit Sach-grund obsolet werden.

Weitere arbeitsrechtliche Themen des Koalitionsvertrags im Überblick

Neben den bereits beschriebenen Ände-rungen stehen noch weitere wichtige Themen im Fokus:

| Anpassung des kirchlichen Arbeits-rechts an das staatliche (Ausn.: ver-kündungsnahe Tätigkeiten). Hier dürfte spannend sein, wie die Kirchen unter Berücksichtigung des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV reagieren.

| Wir halten am Grundsatz des 8-Stunden-Tages im Arbeitszeitgesetz fest. Im Rahmen einer im Jahre 2022 zu treffenden, befristeten Regelung mit Evaluationsklausel soll ermöglicht werden, dass im Rahmen von Tarifver-trägen Arbeitnehmer:innen unter bestimmten Voraussetzungen und in einzuhaltenden Fristen ihre Arbeitszeit flexibler gestalten können. Außerdem soll eine begrenzte Möglichkeit zur Abweichung von den derzeit bestehen¬den Regelungen des Arbeitszeitgeset¬zes hinsichtlich der Tageshöchst¬arbeitszeit geschaffen werden, wenn Tarifverträge oder Betriebsvereinba¬rungen, auf Grund von Tarifverträgen, dies vorsehen (Experimentierräume).

| Vor dem Hintergrund der Rechtspre-chung des Europäischen Gerichtshofs zur Zeiterfassung (sog. „Stechuhr-Urteil“), soll im Dialog mit den Sozial-partnern diskutiert werden, ob sich ein Anpassungsbedarf des Arbeitszeit-rechts ergibt. Der Koalitionsvertrag führt hierzu ergänzend aus, dass Ver-trauensarbeitszeit weiterhin möglich sein soll.

| Im Rahmen der Aus- und Weiterbil-dung soll der Ansatz der herkunfts-unabhängigen Bildungschancen und Anpassung an den Strukturwandel fortentwickelt werden. Es soll eine Ausbildungsgarantie geben, die allen Jugendlichen Zugang zu vollqualifizie-renden Berufsausbildung ermöglichen soll.

| Zum Zwecke des Arbeits- und Gesund¬heitsschutzes sollen neben der Erstel¬lung eines Mobbing-Reports auch das betriebliche Eingliederungsmanage¬ment gestärkt werden.

| Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) soll im Falle zukünftiger europä-ischer Rechtsprechung auf Anpas-sungsbedarf überprüft werden.

| Beschäftigte sollen bei grenzüber-schreitenden Entsendungen besser geschützt werden.

| Der Bereich der Pflege soll „schnell und spürbar“ verbessert werden. Hier ist im Koalitionsvertrag die Verbesse-rung von Löhnen in der stationären Langzeitpflege genannt.

| Ebenso im Koalitionsvertrag ist gere-gelt, dass es keine Rentenkürzungen geben und das Rentenalter nicht ange¬hoben werden soll.

3. (Ausgewählte) wichtige Entscheidun-gen des Bundesarbeitsgerichts

Im Jahr 2022 stehen einige, für die arbeits-rechtliche Praxis wichtige Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts aus. Hiervon sol¬len lediglich zwei herausgegriffen werden, deren Tragweite erheblichen Einfluss auf die bisherige Unternehmenspraxis haben können.

Neues zur Massenentlassungsanzeige: LAG Hessen macht „Soll-„ zu „Muss-Angaben“

Mit seinem Urteil vom 25. Juni 2021 hat das LAG Hessen neue Hürden beim Stellen von Massenentlassungsanzeigen für Arbeit¬geber aufgestellt. Es bricht damit mit der bisher gängigen Praxis und Rechtspre-chung. § 17 Abs. 3 KSchG gibt vor, welche Angaben ein Arbeitgeber der Arbeitsagen-tur beim Stellen einer Massenentlassungs-anzeige zu übermitteln hat. § 17 Abs. 3 KSchG unterscheidet dabei zwischen Angaben, die der Arbeitgeber übermitteln „muss“ (sog. Muss-Angaben) und solchen, die er übermitteln soll (sog. Soll-Angaben).

Während die bisherige Rechtsprechung und Literatur davon ausgegangen ist, dass Feh¬ler bei den Soll-Angaben oder gänzlich feh¬lende Soll-Angaben nicht zu einer Unwirk¬samkeit der Massenentlassungsanzeige und damit im Ergebnis auch der Unwirksamkeit der Kündigung führen, verfolgt das LAG Hessen nunmehr einen anderen Ansatz.

Nach Auffassung des Gerichts ist § 17 KSchG, der auf eine europarechtliche Richtlinie zurückzuführen ist, europarechts-konform auszulegen. Die Massenentlas-sungsrichtlinie (MERL) enthalte in Art. 3 Abs. 4 Satz 1 keine solche Differenzierung zwischen Soll- und Muss-Angaben. Nach der Richtlinie muss die Massenentlassungs-anzeige alle zweckdienlichen Angaben ent-halten. Da auch die Soll-Angaben zweck-dienlich seien, müssen diese an die Agentur für Arbeit übermittelt werden.

Die Revision wird unter dem Aktenzeichen 2 AZR 424/21 geführt.

Bis zu einer Entscheidung des Bundes-arbeitsgerichts ist zwingend dazu zu raten, auch die Soll-Angaben in die Massenent-lassungsanzeige aufzunehmen. Verfügt der Arbeitgeber nicht über die notwendige Datengrundlage, sollten die Informationen bei den Arbeitnehmer:innen abgefragt werden.

Abweichung von gesetzlicher Höchstüberlassungsdauer durch TV LeiZ?

Die 4. Kammer des LAG Baden-Württem-berg hat mit Urteil vom 2. Dezember 2020 (Az.: 4 Sa 16/20) entschieden, dass der für die Leiharbeit geltende Tarifvertrag für die Leih- und Zeitarbeit (TV LeiZ) nur gelten soll, wenn der überlassene Arbeitneh¬mer:innen Mitglied in der den Tarifvertrag schließenden Gewerkschaft sei.

Der TV LeiZ eröffnet – als Tarifvertrag der Einsatzbranche – Verleihern und Entleihern die Möglichkeit, Leiharbeitnehmer:innen abweichend vom Gesetz für 48 Monate im Einsatzbetrieb einzusetzen.

In dem zu entscheidenden Fall wurde die gesetzliche Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten – auf Grundlage des TV LeiZ – überschritten. Die 4. Kammer des LAG Baden-Württemberg ist zu dem – fragwür-digen – Ergebnis gekommen, dass mit der Überschreitung der Höchstüberlassungs-dauer die Arbeitnehmerüberlassungserlaub¬nis unwirksam geworden und daher zwi¬schen Entleiher und Leiharbeitneh¬mer:innen ein Arbeitsverhältnis entstanden sei.

Es sei angemerkt, dass die 4. Kammer mit ihrem Urteil von einem nur wenige Wochen vorher ergangenen Urteil der 21. Kammer des LAG Baden-Württemberg aus Novem-ber 2020 (Az.: 21 Sa 12/2) abweicht.

Die Revision wird unter dem Aktenzeichen 4 AZR 83/21 geführt. Die mündliche Ver-handlung ist für den 26. Januar 2022 ange¬setzt. Ob das Bundesarbeitsgericht tatsäch¬lich im Januar entscheiden bzw. verhandeln wird, ist jedoch fraglich, da das LAG Berlin-Brandenburg dem Europäischen Gerichtshof mehrere Vorlagefragen im Zusammenhang mit zulässigen Überlassungszeiten C-232/20 vorgelegt hat.

Derzeit kann nur angeraten werden, die Höchstüberlassungsdauern streng im Blick zu haben und sich – soweit noch möglich – an den Gesetzeswortlaut zu halten.

4. Ausblick

Auch das Jahr 2022 hält wieder viele Themen bereit, die es in der Praxis zu beachten oder umzusetzen gilt. Auch der Koalitionsvertrag lässt erkennen, dass künftig – insbesondere auf Arbeitgeberseite – ggf. viele Neuerungen anstehen. Ände¬rungsprozesse in den Betrieben müssen frühzeitig geplant und angestoßen werden. Wir unterstützen Sie und Ihr Unternehmen gerne bei der Umsetzung, wünschen Ihnen zunächst aber einen guten Start in ein gesundes, glückliches und erfolgreiches Jahr 2022.