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Der neue Referentenentwurf zur Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie

  • Germany

    29-04-2022

    Nachdem der einstige Referentenentwurf, der die EU-Whistleblower-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2019/1937) in ein nationales Gesetz überführen sollte, aufgrund massiver Meinungsverschiedenheiten über einzelne inhaltliche Aspekte des Entwurfs in der Großen Koalition im letzten Jahr verworfen wurde, war es verhältnismäßig lange still um die deutsche Fassung eines Hinweisgeberschutzgesetzes. Beinah unbeachtet hat die EU-Kommission gegen Deutschland aufgrund der am 17. Dezember 2021 verstrichenen Umsetzungsfrist ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet.

    Nunmehr hat Bundesjustizminister Buschmann einen neuen Entwurf zirkuliert. Wenngleich der nunmehr aktuelle Referentenentwurf im Kern auf dem Vorgängerentwurf des seinerzeit unter Christine Lambrecht geführten Ministeriums fußt, birgt dieser auch einige – in dieser Form nicht antizipierte – neue Aspekte, die Anlass zu einer kurzen Betrachtung geben.

    Erweiterung des sachlichen Anwendungsbereichs

    Ähnlich wie bereits der vorhergehende Referentenentwurf sieht auch das nunmehr vorliegende Papier einen im Vergleich zur EU-Whistleblower-Richtlinie erweiterten Anwendungsbereich vor.

    Während nach der EU-Whistleblower-Richtlinie (aufgrund der limitierten Gesetzgebungskompetenz der des EU-Gesetzgebers) nur die Meldung oder Offenlegung bestimmter Verstöße gegen Unionsrecht einen Schutzmechanismus für Hinweisgeber auslösen sollten, sieht der vorliegende Referentenwurf Schutz für Hinweisgeber hinsichtlich Meldungen oder Offenlegungen vor, die in Bezug auf

    • strafbewehrte Verstöße,

    • bußgeldbewährte Verstöße (soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient, oder

    • Verstöße, die bestimmte enumerativ gelistete Rechtsgebiete betreffen (u.a. Geldwäsche, Datenschutz, Umweltschutz),

    erfolgen.

    Der vorhergehende Gesetzesentwurf sah dabei keine Einschränkung der Ordnungswidrigkeiten auf bestimmte Rechtsgüter vor. Der Umstand, die Schutzwürdigkeit von Meldungen in Bezug auf Ordnungswidrigkeiten im Vergleich zum vorhergehenden Referentenentwurf einzuschränken, dürfte auf den Gedanken zurückzuführen sein, den sachlichen Anwendungsbereich des Hinweisgeberschutzes nicht über Gebühr auszudehnen. Schließlich ist zu konstatieren, dass der deutsche Gesetzgeber bereits einen im Vergleich zur EU-Whistleblower-Richtlinie deutlich umfassenderen Anwendungsbereich hat – es scheint angebracht, Meldungen hinsichtlich Rechtsverstöße des nationalen Rechts auf erhebliche Verstöße (also Verstöße gegen Strafvorschriften und Ordnungswidrigkeitenvorschriften, die essentielle Rechtsgüter betreffen) zu beschränken.

    Konzernweite Meldestelle

    Wesentlich für Adressaten des diskutierten Gesetzesentwurfs dürfte sein, dass der vorliegende Referentenentwurf die Einrichtung eines Meldesystems auch bei „Dritten“ zulässt. Nach dieser Konzeption ist es nach dem Entwurf zulässig, das Meldesystem etwa bei Rechtsanwaltskanzleien oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaften auszulagern.

    Zusätzlich soll dies nach der Konzeption des Referentenentwurfs dazu führen, dass – entgegen im Sommer 2021 geäußerter Ansichten der EU-Kommission – verpflichtete Unternehmen, die sich in einem Konzernverbund befinden, auf lediglich eine Meldestelle im Konzern zurückgreifen dürfen. Die EU-Kommission hatte letztes Jahr für Diskussionsstoff gesorgt, als sie erklärte, Konzerngesellschaften mit über 250 Beschäftigten würden stets ein eigenes Meldesystem vorhalten müssen; der konzernweite Meldekanal durfte nach der Konzeption der EU-Kommission nur als zusätzlicher Meldekanal betrieben werden.

    Abzuwarten bleibt, inwiefern sich die Möglichkeit einer konzernweiten Meldestelle im entsprechenden Gesetz abbilden wird und ob diese Konzeption europarechtlich Bestand haben wird.

    Keine Pflicht zur Annahme anonymer Meldungen

    Der aktuelle Referentenwurf sieht – wie auch das Vorgängerpapier – keine Verpflichtung vor, die internen Hinweisgeberstrukturen, so zu gestalten, dass anonyme Meldungen abgegeben werden können. Nach wie vor werden offenbar durch die Möglichkeit anonymer Hinweise Denunziationen befürchtet, zudem sollen verpflichtete Unternehmen finanziell nicht über Gebühr hinsichtlich der Einrichtung anonymer Meldekanäle beansprucht werden. Einem Unternehmen bleibt es jedoch unbenommen, eine solche Meldestruktur einzurichten.

    Ausblick und praktische Hinweise

    Es wird erwartet, dass noch diesen Sommer bzw. spätestens im Herbst das deutsche Umsetzungsgesetz zur EU-Whistleblower-Richtlinie durch die parlamentarische Abstimmung gelangt und sodann in Kraft tritt. Nachdem sich Deutschland bereits mit einem Vertragsverletzungsverfahren seitens der EU-Kommission aufgrund der bisher unterlassenen Umsetzung konfrontiert sieht, sollte mit einer großzügigen Umsetzungsfrist nicht gerechnet werden dürfen. Unternehmen sollten sich mit dem neuen Referentenwurf vertraut machen und – sofern erforderlich – entsprechende Anpassungen ihres internen Meldesystems initialisieren. Dies u.a. auch vor dem Hintergrund, dass der Verstoß gegen die Pflicht, eine interne Meldestelle einzurichten und zu betreiben, nach dem Referentenwurf mit einer Geldbuße in Höhe von bis zu 20.000 EUR geahndet werden kann.

    Unser Partner Dr. David Rieks (Deutschlandleiter der Praxis Corporate Crime and Investigations) unterstützt Sie samt seinem Team gerne:

    • bei der Frage, ob und in welchem Umfang Ihr potentiell bereits bestehendes Meldesystem angepasst werden muss;

    • bei der Einrichtung neuer Strukturen, welche die Vorgaben der EU-Whistleblower-Richtlinie erfüllen;

    • im Umgang mit Hinweisen von Whistleblowern und den daraus gegebenenfalls unternehmensseitig zu ergreifenden Maßnahmen;

    • bei der Unterhaltung eines rechtskonformen Whistleblowing-Systems.