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Strafbarkeitsrisiken bei der Inanspruchnahme von Covid-19-Wirtschaftsförderung
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- Litigation and dispute management
22-04-2020
Infolge der Covid-19-Pandemie haben die Unternehmen (auch) in der Bundesrepublik mit umfangreichen Umsatzeinbußen zu kämpfen. Unternehmen jeder Größe stehen im Risiko, in eine existenzielle Bedrohungslage zu geraten. In Reaktion auf dieses Risiko hat die Bundesregierung in den vergangenen Wochen in beispiellosem Tempo etliche Maßnahmen zur Entlastung der Wirtschaft erlassen. Bereits in den ersten Wochen nach Zurverfügungstellung der Maßnahmen zeigt sich, dass die signifikanten finanziellen Ressourcen auch zum Ziel krimineller Verhaltensweisen werden. Einzelne Bundesländer mussten Online-Plattformen zeitweise offline stellen, da Dritte über sehr ähnlich gestaltete Fake-Portale eine Vielzahl von Antragstellerdaten erlangt und Auszahlungen umzuleiten versucht hatten.
Doch auch für Antragsteller, denen strafrechtswidriges Handeln grundsätzlich fern-liegt, bietet die Inanspruchnahme der staatlichen Hilfen ganz erhebliche Risiken strafrechtlicher Verfolgung nach dem Ende der Krise, die im Folgenden überblicksartig aufgezeigt werden sollen.
1. Exemplarische Maßnahmen im Überblick
1.1. Kurzarbeitergeld
Das am 14. März 2020 in Kraft getretene „Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld“ soll den Unternehmen rückwirkend zum 1. März 2020 den Zugang zum sogenannten „Kurzarbeitergeld“ erleichtern.
Nach der Gesetzesnovelle sind die Anforderungen an die Voraussetzungen der Kurzarbeit erheblich gesenkt worden. Wird einem gestellten Antrag stattgegeben, haben die Arbeitnehmer für die Dauer des Arbeitsausfalls einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld in Höhe von grundsätzlich 60% des bisherigen Nettoentgeltes. Das Kurzarbeitergeld wird unmittelbar durch den Arbeitgeber an die Beschäftigten ausgezahlt. Dieser bekommt den ausgezahlten Betrag sodann von der Bundesagentur für Arbeit zurückerstattet. Eine Rückzahlungspflicht besteht nicht.
1.2. Kreditgewährung
Des Weiteren hat der Bund im Rahmen der Soforthilfen zur Abfederung der finanziellen Auswirkungen während der Corona-Pandemie ein umfassendes KfW-Sonderprogramm aufgelegt. Mit dessen Hilfe erlangen diejenigen Unternehmen, die bedingt durch die Corona-Krise vorübergehende Finanzierungsschwierigkeiten haben, einen erleichterten Zugang zu diversen Krediten. Beispielhaft sei der „KfW-Schnellkredit 2020“ genannt. Bei diesem erhalten Unternehmen mit mehr als 10 Mitarbeitern, die mindestens seit 2019 am Markt sind und während der letzten beiden Jahre durchschnittlich einen Gewinn erzielt haben, einen Förderungskredit für Anschaffungen und laufende Kosten. Die KfW übernimmt 100% des Kreditausfallrisikos, eigene Sicherheiten müssen nicht gestellt werden.
1.3. Aussetzung der Insolvenzantragspflicht
Eine weitere Hilfestellung soll Unternehmen mit dem „Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht“ (COVIn-sAG) gegeben werden. Grundsätzlich besteht gem. § 15a InsO stets die Pflicht der Geschäftsführung, bei Vorliegen eines Insolvenzgrundes innerhalb von drei Wochen einen Insolvenzantrag zu stellen. Mit Einführung des COVInsAG wird diese Pflicht pauschal bis zum 30. September 2020 für den Fall ausgesetzt, dass eine Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens auf den Auswirkungen der Corona-Pandemie gründet und eine begründete Aussicht auf eine mögliche Sanierung des Betriebs aufgrund der Beantragung öffentlicher Hilfen oder durch ernsthafte Finanzierungsverhandlungen möglich ist. Das Vorliegen der Voraussetzungen wird dabei gesetzlich vermutet, soweit die Zahlungsunfähigkeit zum Stichtag des 31. Dezember 2019 (noch) nicht vorlag.
2. Strafrechtliche Risiken
Bei der Inanspruchnahme der staatlichen Förderungen ergeben sich teils gravierende strafrechtliche Risiken.
2.1. Betrugsstrafbarkeit
Im Rahmen der Gewährung von staatlichen Fördermitteln besteht die Gefahr gleich mehrere Straftatbestände zu verwirklichen.
Zum einen droht eine Strafbarkeit wegen Subventionsbetrugs gem. § 264 StGB. Denn das durch die Arbeitsagentur gewährte Kurzarbeitergeld wird nach überwiegender Meinung als Subvention im strafrechtlichen Sinne einzuordnen sein, Um hier eine Strafbarkeit zu begründen, reicht bereits leichtfertiges Handeln des Antragstellers hinsichtlich tatsächlich nicht (umfassend) vorliegender Antragsvoraussetzungen aus. Als Leichtfertigkeit gilt eine Fahrlässigkeit, die sich durch eine gesteigerte Form der Gleichgültigkeit auszeichnet. Beispielhaft sei hier der für die Gewährung von Kurzarbeitergeld zwingend zu fordernde „Arbeitsausfall“ im Betrieb genannt. Ein solcher ist nur, wie vom Gesetz gefordert, „unvermeidbar“, wenn in einem Betrieb alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen wurden, um einen Eintritt des Arbeitsausfalls zu verhindern. Unterlässt es der Arbeitgeber nun dem Arbeitnehmer im Rahmen seines Direktionsrechts eine vorhandene andere Aufgabe zuzuweisen, kann es an dem erforderlichen Arbeitsausfall fehlen. Stellt der Arbeitgeber dennoch einen Antrag auf Kurzarbeitergeld und erfolgt dies nicht einmal vorsätzlich, sondern „lediglich“ aus grober Unachtsamkeit, kann dies schon für eine Strafbarkeit ausreichen.
Stellt der Arbeitgeber einen Kreditantrag, in welchem er unvollständige oder unrichtige Angaben macht, droht eine Strafbarkeit wegen Kreditbetruges gem. § 265b StGB. Denn auch ohne Risikoprüfung der Bank haben die Unternehmen die Pflicht, gegenüber dem Kreditgeber richtige und vollständige Angaben über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse zu machen. Dabei wird eine Strafbarkeit bereits mit dem Vorlegen der unrichtigen oder unvollständigen Angaben bei den Kreditgebern eröffnet. Ausreichend kann daher schon die unzutreffende Angabe sein, die Corona-Krise sei der ausschließliche Anlass für die schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse, obwohl möglicherweise auch schon zuvor relevante Zahlungsschwierigkeiten existierten.
Je nach Fallgestaltung kommt im Fall der Täuschung Dritter über Förderungstatsachen auch ein klassischer Betrug gem. § 263 StGB in Betracht.
2.2. Insolvenzstraftaten
Im Rahmen der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht besteht das Risiko sich wegen einer Insolvenzverschleppung gem. § 15a InsO strafbar zu machen in denjenigen Fällen fort, in denen die besonderen Voraussetzungen des COVInsAG tatsächlich nicht vorlagen, sprich die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens nicht auf der Corona-Krise beruht oder eine Sanierung des Betriebes nicht in Aussicht steht.
Zudem können weitere sogenannte Insolvenzstraftaten, wie der Bankrott, die Verletzung der Buchführungspflicht oder die Gläubiger und die Schuldnerbegünstigung verwirklicht sein, wenn trotz der wirtschaftlichen Krise unsachgemäße Mittelverwendungen erfolgen. Eine entsprechende Strafbarkeit wird durch das COVInsAG nicht ausgeschlossen. Insofern besteht selbst bei einer Suspension der Insolvenzantragspflicht in der Corona-bedingten Krise die zusätzliche virulente Gefahr, einen Betrug durch konkludente Täuschung zu begehen, etwa indem diese Zahlungsunfähigkeit gegenüber Vertragspartnern wie Lieferanten bei neuen Bestellungen nicht offengelegt wird.
3. Individual- oder Verbandsverantwortlichkeit
Im Leistungsbezug macht sich zunächst derjenige strafbar, der in dem – für die Leistungserlangung erforderlichen – Antrag unrichtige oder unvollständige Angaben tätigt. Oftmals werden zentrale unternehmenspolitische Entscheidungen jedoch unmittelbar auf Geschäftsleitungsebenen veranlasst, so dass auch dort persönliche strafrechtliche Verantwortlichkeit begründet liegen kann. Werden Handlungen der Angestellten nur unzureichend geprüft, kommt neben einer Beteiligung an der Straftat durch Unterlassen zudem stets auch eine Aufsichtspflichtverletzung in Betracht, die als Ordnungswidrigkeit gem. § 130 OWiG mit Bußgeldandrohungen bis zu einer Million Euro bewehrt ist.
Im Fall der Insolvenzantragspflicht ist die Geschäftsleitung als Vertreter des Unternehmens verpflichtet und somit Anknüpfungssubjekt des Vorwurfs der Strafermittler.
Auch für die Unternehmen selbst besteht das Risiko strafrechtlich belangt zu werden, wenn deren Leitungspersonen eine Straftat begehen. Dabei kommt neben der Verhängung von Geldbußen bis zu einer Höhe von zehn Millionen Euro gem. § 30 OWiG auch die Einziehung der erlangten Vermögenswerte – etwa des Kurzarbeitergeldes oder erlangter Darlehensvergünstigungen – gem. §§ 73, 73c StGB in Betracht.
4. Was tun? – Bestehende Korrektur und Handlungsmöglichkeiten?
Aufgrund der Flut der Anträge und der besonderen Krisensituation prüfen die Behörden das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anwendung der Neuregelungen aktuell allenfalls oberflächlich. Nicht nur die Erfahrungen aus den Nachwehen der Finanzkrise 2008/2009 zeigen aber, dass spätestens mit Ende der Krise detaillierte Nachkontrollen durch Betriebs- und Sonderprüfungsgruppen der Behörden zu erwarten sind.
Um für etwaige spätere Auseinandersetzungen mit den Prüfstellen gerüstet zu sein, sind Unternehmen gut beraten, das tatsächliche Vorliegen der jeweiligen besonderen und teils neuartigen Voraussetzungen zur Inanspruchnahme der Förderungen hinreichend zu dokumentieren. Insbesondere sollte die Corona-Pandemie als Ursache für die wirtschaftliche Schieflage deutlich gemacht werden können.
Sollte nachträglich die Erkenntnis wachsen, dass Fördermittel versehentlich zu Unrecht in Anspruch genommen sein könnten, muss kurzfristig ein geeigneter Ansatz geprüft werden, um den entstandenen Schaden im Einzelfall zu begrenzen. Eine strafbefreiende Selbstanzeigemöglichkeit besteht grundsätzlich nicht. Allerdings kann im Einzelfall je nach Fallgestaltung das Instrument der tätigen Reue oder ein freiwilliger „Rücktritt“ als Strafaufhebungsgrund zur Verfügung stehen. Danach kann der Täter strafbefreiend von seiner Straftat zurück treten, indem er die Erbringung der beantragten Leistung verhindert (§ 264 Abs. 6 S. 1 StGB bzw. § 265b Abs. 2 S. 1 StGB). Ergänzt bzw. korrigiert der Arbeitgeber seine Angaben, bevor eine erste Auszahlung erfolgt, kann somit eine Strafbarkeit teils vollständig entfallen.
Wurde die Leistung hingegen bereits gewährt, verbleiben die Möglichkeiten die entsprechende finanzielle Vorteilsgewährung alsbald freiwillig an die Staatskasse zurückzuführen, eine weitere Auszahlung zu verhindern und/oder bei der Aufklärung der Tat mitzuwirken. Dadurch ergibt sich gegebenenfalls nicht nur eine gewisse Indizwirkung gegen ein vorheriges vorsätzliches Handeln, sondern auch eine positive Berücksichtigung im Rahmen der Strafzumessung.
In diesem Fall ist es empfehlenswert, möglichst kurzfristig das bestehende Handlungsportfolio zu prüfen, um zusätzliche strafrechtliche Risiken im Rahmen des Möglichen zu verhindern.
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